Die globale Schifffahrt steht unter Druck, aus dem Schweröl auszusteigen – es tut sich etwas, obwohl es nicht einfach ist.
Don Maier, Außerordentlicher Professor für Wirtschaft, Universität von Tennessee und Mitglied der International Association of Maritime Port Executives (IAMPE), im Gespräch mit der unabhängigen Nachrichtenorganisation The Conversation.
Der Großteil an Kleidung und technischen Geräten, die Sie im Geschäft kaufen, kommt in Schiffscontainern über die Ozeane zu Ihnen. Schiffe transportieren mehr als 80 Prozent der weltweit gehandelten Waren. Doch sie haben ein Problem: Die meisten von ihnen werden durch Schweröl angetrieben, das zum Klimawandel beiträgt.
Obwohl Schiffsmotoren im Lauf der Zeit immer effizienter geworden sind, steht die Branche unter wachsendem Druck, ihren Kohlenstoff-Fußabdruck zu verringern.
In der EU soll die Treibhausgasintensität von Schiffskraftstoffen bis 2050 um 80 % gesenkt und die Reedereien verpflichtet werden, für die von ihren Schiffen ausgestoßenen Treibhausgase zu zahlen. Auch die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die für die Regulierung der internationalen Schifffahrt zuständig ist, will in diesem Sommer ihre Klimastrategie verschärfen. Das derzeitige Ziel der IMO ist es, die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 um 50% zu reduzieren. Joe Biden sagte am 20. April 2023, dass die USA stattdessen auf ein neues internationales Ziel von null Emissionen bis 2050 drängen werden.
Der Meeresforscher Don Maier äußerte sich gegenüber der gemeinnützigen, unabhängigen Nachrichtenorganisation The Conversation, ob die Schifffahrtsbranche diese strengeren Ziele erreichen kann.
Warum ist es für die Schifffahrt so schwierig, von fossilen Brennstoffen wegzukommen?
Die beiden Hauptgründe sind die Wirtschaftlichkeit und die Lebensdauer der Schiffe.
Die Flotten der meisten großen Schifffahrtsunternehmen sind zwar jünger als 20 Jahre, aber selbst die neueren Modelle sind nicht unbedingt mit der modernsten Technik ausgestattet. Bis ein Schiffsneubau fertiggestellt ist, dauert es etwa eineinhalb Jahre, dazu wird Technik von vor ein paar Jahren angewendet. Die meisten Motoren laufen also immer noch mit fossilem Heizöl.
Wenn Unternehmen Schiffe kaufen, die mit alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff, Methanol und Ammoniak betrieben werden, stoßen sie auf ein weiteres Problem: Es gibt bisher nur wenige Häfen, die über die nötige Infrastruktur verfügen. Ohne die Möglichkeit, in allen Häfen aufzutanken, die das Schiff anläuft, verlieren die Unternehmen aber ihre Kapitalrentabilität (ROI). Sie werden also weiterhin die alte Technologie verwenden.
Es ist nicht unbedingt so, dass die Schifffahrtsindustrie den Weg zu saubereren Kraftstoffen nicht gehen will. Aber ihre Anlagen – ihre Flotten – wurden mit Blick auf eine lange Lebensdauer angeschafft, und alternative Kraftstoffe sind noch nicht weit verbreitet.
Es werden Schiffe gebaut, die mit Flüssigerdgas (LNG) und Methanol betrieben werden können. Sogar Wasserstoff ist im Kommen. Oft handelt es sich dabei um Dual-Fuel-Schiffe, die sowohl mit alternativen als auch mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können. Bislang werden jedoch noch nicht genug Schiffe dieser Art bestellt, dass sich die Kosten für Werften oder Reedereien lohnen würden.
Zudem sind die Kosten für alternative Kraftstoffe wie Methanol und grüner Wasserstoff immer noch deutlich höher als die von Heizöl oder LNG. Die gute Nachricht ist jedoch, dass diese Kosten zu sinken beginnen. Wenn die Produktion dieser Kraftstoffe hochgefahren wird, werden die Emissionen sinken.
Können strengere Vorschriften und die Bepreisung von Kohlendioxid die Branche zu Veränderungen bewegen?
Ein wenig Druck auf die Branche ist hilfreich, aber zu viel Druck kann die Dinge aus dem Gleichgewicht bringen.
Wie die meisten Branchen wollen auch die Reedereien standardisierte Regeln, bei denen sie sich darauf verlassen können, dass sie sich im nächsten Jahr nicht ändern. Einige dieser Unternehmen haben in den letzten Jahren Millionen von Dollar in neue Schiffe investiert, und jetzt wird ihnen gesagt, dass diese Schiffe möglicherweise nicht den neuen Normen entsprechen – obwohl die Schiffe fast nagelneu sind.
Eine weitere Sorge in Bezug auf die EU ist, ob sie alle “Was-wäre-wenn”-Szenarien im Griff hat. Wenn die EU beispielsweise strengere Vorschriften als andere Länder erlässt, wirkt sich das darauf aus, welche Schiffe auf europäischen Routen eingesetzt werden können. Wenn in Europa die Nachfrage nach Produkten steigt, haben die Reedereien möglicherweise zu wenig Schiffe, um diese Nachfrage zu bedienen.
Ich glaube, dass der Wandel in der Schifffahrtsbranche bald kommen wird, aber die Veränderungen müssen sich für die Reedereien und ihre Kunden auch finanziell lohnen.
Wirtschaftswissenschaftler schätzen, dass die Kosten für die Senkung der Emissionen um 50 % bis 2050 zwischen 1 Billion und – realistischer – über 3 Billionen US-Dollar liegen. Eine vollständige Dekarbonisierung wäre noch teurer. Viele dieser Kosten werden auf Befrachter, Verlader und schließlich auf die Verbraucher – also uns – abgewälzt werden.
Gibt es Möglichkeiten für Unternehmen, die Emissionen jetzt zu senken und sich gleichzeitig auf die Modernisierung ihrer Flotten vorzubereiten?
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Reedereien derzeit nutzen, um die Emissionen zu senken.
Eine, die seit mindestens 10 Jahren angewandt wird, ist die Verwendung hochwertigerer Anstriche für Schiffsrümpfe, die die Reibung zwischen dem Schiffsrumpf und dem Wasser verringern. Durch die geringere Reibung arbeitet der Motor nicht so stark, was wiederum die Emissionen verringert.
Eine weitere Maßnahme ist eine geringere Schiffsgeschwindigkeit. Wenn Schiffe mit einer höheren Geschwindigkeit fahren, verbrauchen sie mehr Kraftstoff und setzen mehr Emissionen frei.
Eine weitere, in den USA und Europa übliche Praxis, ist das Abschalten der Schiffsmotoren während des Hafenaufenthalts und das Anschließen an die Stromversorgung des Hafens. Dadurch wird vermieden, dass mehr Treibstoff verbrannt wird, der die Luftqualität beeinträchtigt. Die Häfen von Los Angeles und Long Beach haben die Elektrifizierung bereits stark vorangetrieben, um den Smog zu reduzieren. Außerdem ist es auch für die Reedereien kostengünstiger.
So einfach diese Maßnahmen auch klingen mögen, sie haben zu enormen Verbesserungen bei den Emissionen geführt, aber sie allein reichen nicht aus.
Wird ein höheres, von der IMO festgelegtes Ziel ausreichen, um die Branche zum Umdenken zu bewegen?
Die Schifffahrtsindustrie eine jahrhundertealte und konservative Industrie. Aber die Branche hat in den letzten Jahren Millionen in neue Schiffe mit der effektivsten verfügbaren Technologie investiert.
Als die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) vorschrieb, dass alle schwerölbetriebenen Schiffe auf schwefelarme Kraftstoffe umgestellt werden müssen, hat sich die Branche darauf eingestellt, auch wenn die Nachrüstung kostspielig und zeitaufwändig war. Viele Reedereien erfüllten die Vorschrift durch den Einbau von “Scrubbern”, die im Wesentlichen den Schiffsmotor filtern, und neue Schiffe wurden für den Betrieb mit schwefelarmem Heizöl gebaut.
Jetzt wird der Industrie mitgeteilt, dass sich die Normen erneut ändern.
Alle Wirtschaftszweige wollen einheitliche Regeln, um Sicherheit zu haben, bevor sie in eine neue Technologie investieren. Die Reedereien werden sich an die Vorgaben der IMO halten. Sie werden sich dagegen wehren, aber sie werden es trotzdem tun. Das liegt zum Teil daran, dass die IMO auch die maritime Industrie unterstützt.
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