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Zu den Ursachen der jüngsten Eiszeit

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Woher kamen die Eisschilde auf der nördlichen Hemisphäre, die die letzte Eiszeit vor mehr als 100.000 Jahren einläuteten? Forscher der University of Arizona haben möglicherweise zwei Rätsel gelöst, die Paläo-Klimaexperten seit langem beschäftigen.

Die Suche nach den Ursachen für Eiszeiten gehört zum Forschungsgebiet der Paläoklimatologie, einem Teilgebiet der Geologie. Nun handelt es sich um kein leichtes Unterfangen zu erklären, wieso sich große Eismassen über Tausende von Jahren ausgedehnt und zurückgezogen haben. Allerdings bietet diese Forschung einen konkreten Nutzen: Aus den Erkenntnissen über die klimatischen Verhältnisse in der Vergangenheit können Rückschlüsse auf die klimatische Zukunft gezogen werden.

Forscher der University of Arizona haben in der Fachzeitschrift Nature Geoscience eine Studie veröffentlicht, in der sie versuchen, Antworten auf zwei Rätsel der Paläoklimatologie zu geben:

Woher kamen die Eisschilde auf der nördlichen Hemisphäre, die die letzte Eiszeit vor mehr als 100.000 Jahren einläuteten? Wieso konnten sie so schnell wachsen?

Die Ergebnisse könnten auch auf weiter zurückliegende Eiszeiten in der Erdgeschichte übertragen werden.

Exzentrizität, Ekliptik, Präzession

Vor etwa 100.000 Jahren entstanden auf der nördlichen Hemisphäre riesige Eismassen. Die lokalen Gebirgsgletscher wuchsen über einen Zeitraum von etwa 10.000 Jahren an und bildeten große Eisschilde, die einen Großteil Sibiriens, Nordeuropas und Nordamerikas bedeckten.

Als eine der Hauptursachen für die zyklisch auftretenden Eis- und Warmzeiten gelten die periodischen Veränderungen der Erdumlaufbahn um die Sonne. Es ändern sich sowohl die Exzentrizität der elliptischen Erdumlaufbahn um die Sonne (circa alle 100.000 Jahre) als auch die Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn (circa alle 41.000 Jahre).

Hinzu kommt die Präzession der Erdachse (23.000-jähriger Zyklus), wodurch die Lage des Sommers und des Winters auf der Ellipse wandert.

Zu den Ursachen der jüngsten Eiszeit 1 August 12, 2022
Quelle: Uni Oldenburg

Das führt zu einer Art „Taumeln“ der Erdumlaufbahn um die Sonne, wodurch die Verteilung der Sonnenenergie auf der Erde beeinflusst wird. Beschrieben wurde das beispielsweise vom serbischen Mathematiker Milutin Milanković (Milanković-Zyklen).

Reduziert sich die Sonneneinstrahlung auf der nördlichen Hemisphäre, löst das eine Abkühlung aus, die schließlich in einer großflächigen Vergletscherung gipfelt. Wissenschaftler gehen hierbei davon aus, dass kühle Sommer eine größere Bedeutung für den Eisaufbau haben als kalte Winter.

Allerdings haben Wissenschaftler Mühe, die ausgedehnten Eisschichten zu erklären, die einen Großteil Skandinaviens und Nordeuropas bedecken. Denn dort sind die Temperaturen viel milder als im kalten kanadisch-arktischen Archipel. Theoretisch müsste Skandinavien aufgrund des Nordatlantikstroms, der warmes Wasser an die Küsten Nordwesteuropas bringt, relativ eisfrei geblieben sein.

Zu den Ursachen der jüngsten Eiszeit 2 August 12, 2022
Photo by Gaël Gaborel – OrbisTerrae on Unsplash

Der kanadisch-arktische Archipel und Nordnorwegen haben ungefähr dieselbe geografische Breite. Beispielsweise liegt der nordnorwegische Ort Tromsø bei 69° 39′ N, die Siedlung Iqaluit auf Baffin Island bei 63° 45′ N. (Der Nordpolarkreis verläuft bei 66° 33′ N).
Während die Temperaturen des skandinavischen Sommers jedoch deutlich über dem Gefrierpunkt liegen, bleiben diese in der kanadischen Arktis darunter. Daher ist es schwierig, die mächtigen nordeuropäischen Gletscher der jüngsten Eiszeit anhand von Klimamodellen zu erklären.

Bedeutung des Meereises

Um Antworten zu finden, arbeiteten die Forscher um Marcus Lofverstrom, Assistenzprofessor für Geowissenschaften und Leiter des UArizona Earth System Dynamics Lab, an der Entwicklung eines Erdsystemmodells, Community Earth System Model. Damit bildeten sie die Bedingungen zu Beginn der letzten Eiszeit realistisch nach, wobei sie den Eisschild mit hoher räumlicher Auflösung betrachteten. Anhand der Simulationen identifizierten die Forscher die ozeanischen Gateways im kanadisch-arktischen Archipel als kritischen Dreh- und Angelpunkt, der das nordatlantische Klima steuert und letztlich darüber entscheidet, ob sich Eisschilde in Skandinavien bilden.

Sie simulierten ein bisher unerforschtes Szenario, bei dem Meereisschichten die Wasserwege im kanadisch-arktischen Archipel blockierten. In diesem Experiment wurde das Wasser der Arktis und des Nordpazifiks, das normalerweise durch den Archipel fließt, östlich von Grönland umgeleitet. Diese Umleitung führte zu einer Auffrischung und Abschwächung der nordatlantischen Tiefenzirkulation, zur Ausdehnung des Meereises und zu einer Abkühlung Skandinaviens.

Solange die Wasserwege zum Ozean offen blieben, kühlte sich die nördliche Hemisphäre (aufgrund der Veränderungen der Erdumlaufbahn) zwar ausreichend ab, um die Bildung von Eisschilden in Nordkanada und Sibirien zu ermöglichen – jedoch nicht in Skandinavien.

Resultate

“Anhand von Klimasimulationen und Analysen von Meeressedimenten zeigen wir, dass die Eisbildung im Norden Kanadas Ozeanschleusen blockieren und den Wassertransport aus der Arktis in den Nordatlantik umleiten kann”, so Lofverstrom, “was wiederum zu einer geschwächten Ozeanzirkulation und kalten Bedingungen vor der Küste Skandinaviens führt, was ausreicht, um in dieser Region Eiswachstum auszulösen.”

“Diese Ergebnisse werden durch marine Sedimentaufzeichnungen aus dem Nordatlantik gestützt, die beweisen, dass nordkanadische Gletscher mehrere tausend Jahre vor den europäischen auftraten. Die Sedimentaufzeichnungen liefern auch überzeugende Beweise für eine geschwächte Tiefseezirkulation vor der Gletscherbildung in Skandinavien. Das entspricht den Ergebnissen unseres Modells.”

Diane Thompson, Assistenzprofessorin am UArizona Department of Geosciences.

Zusammengefasst deuten die Experimente darauf hin, dass die Bildung von Meereis in Nordkanada eine notwendige Vorbedingung für die Vergletscherung in Skandinavien ist. Die Klimamodelle können helfen, bisher unbekannte und auch kontraintuitive Wechselwirkungen im Erdsystem zu identifizieren, wie zum Beispiel das komplexe Zusammenspiel zwischen Eisschilden und Klima, so Lofverstrom.

Marcus Lofverstrom, The importance of Canadian Arctic Archipelago gateways for glacial expansion in Scandinavia, Nature Geoscience (2022).  DOI: 10.1038/s41561-022-00956-9.

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